Der Eine Ring 2e – Starterset (Feedback)

Vor ungefähr einem Jahr erschien bei Truant Spiele die Box „Der Eine Ring 2e Starterset“. Die Box war eine Übersetzung aus dem Englischen von der Starterbox des schwedischen Rollenspielverlags Free League. Über ein halbes Jahr später erschien auch die PDF-Version zur Starterbox. Da mir Mario Truant damals die Daten früher zukommen ließ, versprach ich ihm eine Produktbesprechung zu veröffentlichen. Aufgrund von Zeitmangel und Warten auf das GRW zum System hat sich diese Produktbesprechung etwas verzögert.

ACHTUNG! Dieser Artikel wird SPOILER enthalten!!!

Cover der Box; Bild von truant.com

Inhalt der Box

30 Ausrüstungskarten (Waffen, Rüstungen)
6 Haltungskarten
1 Würfelset mit 6x W6 und 2x W12
1 Karte A2 vom Auenland und Eriador auf der Rückseite
8 fertige spielbereite Charakterbögen (7 Hobbits inkl. Bilbo und Balin)
1 Regelheft
1 Abenteuerheft mit 5 kurzen Abenteuern im Auenland
1 Auenland Regionalbeschreibung

Die Box und ihr Inhalt machen einen sehr schönen Eindruck und sind von guter Qualität. Die optische Aufmachung soll sehr schön sein, haptisch fühlt sich alles richtig gut an 😊 Das Ganze bekommt man für ungefähr 40 Euro, was ich als einen guten Preis für die Box erachte.

Auenland Regionalbeschreibung

Dieses Heft hat mich am meisten angesprochen. Es wird dort nicht nur schön und kurz das Auenland beschrieben, sondern es wird immer auf lokale Besonderheiten hingewiesen – sei es das Gasthaus in Froschmoorstetten oder die Stollen unter Michelbinge oder viele mehr.

Dazu kommen immer kleine Abenteuerideen und -aufhänger. Zum Beispiel steht bei Oberbühl was über eine Frau Boffin und den berühmten Boffintopf im Grünen Drachen drin, was man den Spieler:innen schön als kleine „Sidequest“ anbieten kann. Dazu kommen noch verschiedene Zufallstabellen, zum Beispiel was einem bei einem Spaziergang im Auenland so begegnen kann oder welche Gerüchte man in Wegscheid aufschnappen kann.

Das alles ist nett geschrieben und nach den Vier Vierteln sortiert. Diese Sortierung hätte mit einem Inhaltsverzeichnis oder einem Index noch unterstützt werden können, weil es so ein wenig unübersichtlich ist. Aber dadurch, dass das Heft nur gut 40 Seiten hat, wird man beim Durchblättern und Suchen meist schnell fündig.

Regelheft

Das Regelheft beginnt mit einem schönen Prolog und geht dann in die allgemeinen Informationen über Rollenspiele über. Danach wird knapp beschrieben, wann und wie man würfelt und was die einzelnen Werte auf den Charakterbögen bedeuten. Dabei wurde auf eine Beschreibung der Charaktermerkmale und wofür sie sind, verzichtet – das musste ich dann im Grundregelwerk nachlesen. Dafür werden aber alle Fertigkeiten gut beschrieben, so dass man weiß, worauf man da eigentlich genau würfelt. Eine genauere Unterscheidung zwischen Wahrnehmung, Erkunden und Untersuchen und wann man welche Fertigkeit genau nimmt, wäre noch hilfreich gewesen. Ausdauer, Hoffnung, Tapferkeit und Weisheit werden noch einmal gesondert und mit mehr Details beschrieben, was ich für sehr sinnvoll halte.

Danach kommt eine kurze Beschreibung, wie Abenteuer aufgebaut sind und wie sie ablaufen. Das – mit Hilfe der Spielbeispiele – kann auch unerfahrenen Spielleitungen helfen, die Box zu leiten. Die Kampfregeln werden danach nur sehr kurz dargestellt, weil die Charaktere in dem Starterset ja eher selten kämpfen. Wenn man aber in dieser Hinsicht was einfügen will, dann empfiehlt es sich auf jeden Fall das Kapitel Kampf im Grundregelwerk zu lesen. Aber für das Starterset reichen die im Regelheft beschriebenen Regeln, wenn sie auch etwas kompliziert formuliert sind.

Damit ist dieses dünne Heft (unter 30 Seiten)  auch schon fertig. Wenn man mit Der Herr der Ringe, dem Auenland und als SL bereits Erfahrung hat, dann bleiben nur sehr wenige Seiten, die man lesen muss und da ist man schnell durch. Auch bei diesem Heft hätte ein Inhaltsverzeichnis noch etwas mehr Übersichtlichkeit gebracht.

Karten

Als nahezu blinder Mensch kann ich über diese rein optischen Aspekte nicht viel sagen. Doch meine Testspieler:innen meinten, dass die Karten für die Waffen sehr fein waren und die Haltungskarten beim Verständnis geholfen haben. Die Landkarte ist schön und detailliert und wurde mir von einer Grafikerin so aufbereitet, dass ich damit arbeiten kann.

Abenteuerheft

Die Abenteuer in diesem Heft sind für die beigefügten Charaktere geschrieben und gelegentlich wird darauf Bezug genommen. Es sind alles Abenteuer im friedlichen Auenland, dennoch haben Abenteuer 2, 3 und 5 einen möglichen Kampf-Höhepunkt. Aber die Situationen lassen sich alle auch anders lösen, wobei in Abenteuer 5 muss man ein wenig kämpfen.

Die Abenteuer vermitteln sehr gut das ruhige, friedliche Gefühl des Auenlands. Es wird mit den Charakteren und den Orten die man besucht sehr viel Fan-Service betrieben, aber ich muss gestehen, das hat mir gut gefallen. Generell ist gerade das erste Abenteuer einfach sehr fein und nett.

Kurze Übersicht über die Abenteuer (Spoiler!!!)

Im ersten Abenteuer ziehen die tapferen Hobbits aus, um für Bilbo eine Landkarte aus dem Mathom-Haus in Michelbinge „zurückzuholen“. Die Kuratorin des Museums scheint kein Interesse daran zu haben, Bilbo sein Eigentum zurückzugeben und so müssen die Helden „einbrechen“ oder andere Lösungen finden. Eine Flussquerung und eine garstige Eule runden das Abenteuer ab.

Im zweiten Abenteuer sucht man die Keule vom „Bullenrassler Tuk“. Dieser geschichtsträchtige Gegenstand soll irgendwo im Norden versteckt sein. Dort treffen die Gefährten auf einen Waldläufer, retten ein kleines Mädchen und haben eine unfreundliche Begegnung mit einem klassischen Tolkien-Monster.

Gandalfs Feuerwerke sind berühmt und er hat einiges an Material beim alten Tuk gelassen. Nach dessen Tod ging das Zeug in den Besitz von Primula Straffgürtel (Lobelias Mutter) über und Bilbo will es nun kaufen. Doch die alte gereizte Dame hat das Zeug weggeschickt. Die Hobbits treffen auf Odo Sackheim-Beutlin und müssen in die Minen von Schären vordringen, wo sie auf einen „Geist“ treffen.

Das vierte Abenteuer ist eigentlich nur ein Spaziergang abseits der Straßen von Michelbinge nach Osten zu Bauer Maggot. Es leitet das fünfte Abenteuer ein.

Im letzten Abenteuer müssen die Gefährten sich einer wilden Bestie entgegenstellen, die dies- und jenseits des Brandyweins für Unruhe sorgt. Die Spur der Bestie führt die Hobbits in den Alten Wald. Dort machen sie eine ganz besondere Bekanntschaft.

Die Abenteuer hängen zusammen und können als Mini-Kampagne dienen. Man braucht ungefähr 4 – 5 Sessions (3 – 4 h) dafür. Wenn man aus dem Auenlandheft Elemente einbaut, kann es auch länger gehen.

Fazit zu den Abenteuern

Das erste Abenteuer ist richtig gut gelungen und macht unglaublich viel Spaß. Ich habe es nun bereits 4x als oneshot und einmal in der Mini-Kampagne geleitet. Ich werde es auch sicher noch öfter anbieten, denn es ist sehr einfach aufgebaut und sehr unkompliziert. Eines muss man aber dabei bedenken: wenn man dieses und manch andere Hobbit-Abenteuer im Auenland leitet, dann bekommt man Hunger. Wenn man die ganze Zeit von den 7 täglichen Mahlzeiten des kleinen Volkes redet und selber nichts zum Essen daneben stehen hat, ist anstrengend 😊

Das zweite Abenteuer hat ein paar kleine Fehler drin, zB wird Frau Lehmfuß einmal Ringelblume und einmal Goldblume genannt. Das Gespräch mit dem Waldläufer am Ende ist sehr seltsam und vermutlich nur eingefügt, damit man irgendwelche dunklen Reden drin hat. Aber Sinn ergeben seine Aussagen nicht, deswegen hab ich ihn einfach zum Wächter über das Auenland (Gandalf hat die Waldläufer ja schon vor Jahren darum gebeten) gemacht, anstatt zum Wächter der Keule.

Das dritte Abenteuer macht wieder so richtig Spaß. Die Verfolgung des Feuerwerks führt die Helden ins Ostviertel und sogar in die Minen von Schären. Damit kann man sogar einen Dungeon ins Abenteuer einbauen, wenn man das will. Das Ende finde ich gut gelungen. Witzig ist das Ganze, wenn ein/e Spieler:in Lobelia spielt. Weil die Abenteurer ja auf Odo Sackheim-Beutlin treffen, den Lobelia Straffgürtel später heiraten wird.

Wie oben bereits erwähnt, ist das vierte Abenteuer meiner Meinung nach kein wirkliches Abenteuer. Ich habe es verwendet, um Abenteuer 5 einzuleiten, aber auch überlegt es einfach zu überspringen. Nachdem meine Gruppe im Auenland aber für sehr viel Aufsehen gesorgt hat (zB Hausverbot in zwei Gasthäusern!), hat mir der Einstieg in Abenteuer 4 doch recht gut gepasst. Denn die Helden werden wegen „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ in den Stollen gesteckt, bis man sich eine passende Strafe (gemeinnützige Arbeit) ausgedacht hat. Das schlimmste daran ist, dass die Hobbits im Stollen nur Wasser und Brot bekommen.
Das einzige witzige Element auf dieser Reise zu Bauer Maggot ist das Verhalten der Tierwelt. Etwas, was ja schon bei der Eule im ersten Abenteuer angedeutet wird. Wenn man Abenteuer 4 einbauen will, dann sollte man sich Notizen über alle Begegnungen der Gruppe mit Tieren bis zu diesem Zeitpunkt machen.

Abenteuer 5 bietet den meisten Fan-Service. Einige Handlungen sind da einfach aus dem Herrn der Ringe nacherzählt. Nichtsdestotrotz ist die Idee dahinter sehr nett und auch der Höhepunkt des Abenteuers ist spannend und macht Spaß. Und mal ganz ehrlich: Man kann von schlechteren Autoren als JRR Tolkien abschauen, oder? 😊

Gesamt-Fazit

Die Starterbox ist toll, macht Spaß, ist leistbar und bereitet viele, viele Stunden Freude! Wer Herr der Ringe, die Hobbits und Rollenspiele mag, der oder die kommt hier voll auf seine/ihre Kosten!

Trotz einiger kleiner Mängel ist das Produkt hervorragend gelungen. Man kann damit viel erleben, sei dies nun mit den fertigen Abenteuern oder den ganzen Ideen, die mitgeliefert werden.

Wenn man sich dann auch noch das Grundregelwerk dazu holt, dann hat man einen schönen Grundstock für die ersten größeren Abenteuer in „Der Eine Ring 2e“.

Link zur PDF auf DrivethruRPG

Link zum Truant Shop

Kritik am Verlag

Ich kaufe immer wieder die PDFs von Truant Spiele und habe aktuell „Abenteuer in Mittelerde“, „Witcher“ und „Der Eine Ring 2e“ von den letzten Truant-Produkten gekauft. Was mich dabei aber immens stört, ist, dass PDFs erst viele Monate später als die Bücher erscheinen. Damit ist Truant Spiele der einzige deutschsprachige Verlag, der mehrere Systeme hat und ein derartig diskriminierendes Verhalten an den Tag legt. Und ja, ich meine das so. Ich bin nahezu blind und kann mit Büchern nichts anfangen. Ich brauche PDFs, damit ich mit dem System was anfangen kann. Bei Abenteuer in Mittelerde hat es zum Teil ein Jahr gedauert, bis diese erschienen sind, ein halbes Jahr war es beim „Der Eine Ring 2e Starterset“, drei Monate beim „Grundregelwerk“ und der „Bruchtal-Spielleiterschirm“ ist als PDF noch nicht erhältlich, ich hab ihn seit August physisch bei mir.

Könnt ihr euch vorstellen, wie frustrierend das ist, wenn man nicht mitspielen kann oder leiten kann, weil die Spielmaterialien nicht zugänglich sind? Und ich bin ja nicht der Einzige, der schlecht sieht oder aus irgendeinem anderen Grund PDFs braucht oder bevorzugt. Und genau das finde ich diskriminierend. Als ich Mario Truant im Frühjahr wegen der PDF zum Starterset angeschrieben hatte, kam als Antwort die Frage „Wozu ich denn PDFs brauche?“. Ich glaube, dass Herr Truant hier ein wenig an der aktuellen Spielkultur vorbeischaut. Auf meine letzte Mail (vor über 2 Wochen) mit der Frage über PDFs für den SL-Schirm und wie es mit der Übersetzung von „Ruins of the Lost Realm“ aussieht und ob es da auch eine zeitnahe PDF geben wird, bekam ich keine Antwort.

Nachdem ich letzten Monat das Crowdfunding für Moria (auf Englisch) unterstützt habe und eben nicht mal mehr eine Antwort bekomme, habe ich entschieden mir zukünftig das nicht mehr anzutun. Free League bringt PDFs zeitgleich mit Büchern raus und diskriminiert nicht. Deswegen werde ich keine Truant-Produkte mehr kaufen bis sich das Verhalten der Firma ändert und auf die englischen Produkte ausweichen. Das ist schade und bedeutet für mich einen Mehraufwand, aber es ist angenehmer als der Frust, wenn alle um einen herum bereits die Produkte haben, nur man selber nichts damit anfangen kann.

Ein Kommentar zu „Der Eine Ring 2e – Starterset (Feedback)

  1. Das vielleicht beste Argument für PDFs, das ich bislang gehört habe – völlig nachvollziehbar und tatsächlich eine Frage der Zugänglichkeit für Menschen mit Einschränkungen. Könnte man schon auf dem Schirm haben heutzutage – danke für die Erweiterung meines Blickfelds.

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